Heilbronner Stimme vom 6.4.2000

Von "sexualperversen Stücken und dem Wahn eines teuflischen OB"

Von Andreas Sommer

Am Samstag werden 1000 Teilnehmer zu einer Demonstration mit Kundgebung gegen Terrence McNallys Theaterstück "In Amerika wurde dieses Stück durch Eingreifen von kirchlichen und anderen Initiativen verboten. Das Gleiche wollen wir erreichen. Wenn die Kirche schweigt und nichts unternimmt, müssen wir handeln. Mit anderen Initiativen wollen wir dem Wahn eines teuflischen OB ein Ende setzen ", versteigt sich Helmut Krüger aus Kornwestheim als Regionalsprecher der sogenannten "Deutschland-Bewegung" in seinem Flugblatt. Krüger ruft zur Teilnahme an der "Solidar-Kundgebung mit den Christen" gegen Terrence McNallys Stück "Corpus Christi" am Theater Heilbronn auf, die am Samstag, 8. April, um 11 Uhr auf dem Heilbronner Kiliansplatz stattfinden soll. Die Stadtverwaltung erwartet 1000 Teilnehmer. Von 9 bis 11 und 13 bis 15 Uhr ist Singen und Beten vorgesehen.

Zu einer Demonstration aufgerufen hatte, wie berichtet, auch der Bruchsaler "Freundeskreis Johannes Paul II" und der katholische Lippstädter Pfarrer Winfried Pietrek. Pietrek fordert " die Exkommunikation derer, die aktiv oder als Zuschauer finanziell das Schauspiel unterstützen." Der blinde Hass gegen ein Stück, das kaum einer dieser christlichen Eiferer gesehen hat, gebiert bizarre Allianzen. So kündigt Pfarrer Pietrek für die Demonstration gleich " hunderte bestürzte syrisch-orthodoxe Christen" an. Und die Partei Bibeltreuer Christen (PBC) will OB Helmut Himmelsbach eine Resolution gegen "sexualperverse und blasphemische Theaterstückeam Stadttheater Heilbronn" übergeben. Die Gegner sind sich einig: "Dass die Freiheit der Kunst an der religiösen Überzeugung und beim Glauben endet", wie es Helmut Krüger formuliert.

Dass den Gegnern nicht am Austausch von Argumenten liegt, bekam der Heilbronner Intendant Klaus Wagner zu spüren. Er erbat sich drei Minuten Redezeit auf der Kundgebung, weil die Veranstalter "absolute Falschinformationen" über das Stück verbreitet hätten. Wagner: "Sowohl die Inhaltsangabe von Frau Mikoleiczik aus Wangen als auch die Aufrufe des ,Werk kleiner Seelen' enthalten Erfindungen, die in dem Stück nicht vorkommen". Wagner bedauert, "dass die Gutgläubigkeit von Christen ausgenutzt und für Proteste ohne Sachkenntnis instrumentalisiert wird". Wagners Ansinnen wies Pfarrer Pietrek mit unverhohlener Menschenverachtung zurück: "Da könnte ich ja gleich den Teufel in meiner Messe predigen lassen".

Inzwischen ist der Rechtsanwalt des Münchner Lauke-Verlags, wo das Textbuch zu "Corpus Christi" erschienen ist, eingeschaltet worden. Denn die Weitergabe des Textes verstößt gegen das Urheberrecht. Nicht definiert sind bislang die religiösen Gefühle, die das Stück angeblich verletzt. Vielleicht sind es ja die demokratiefeindlichen Gefühle einer kleinen, nicht konsensfähigen Minderheit?