Corpus Christi, Teil zwei
Neue Allianz
Von Wieland Schmid
Die Heilbronner Premiere des umstrittenen Homosexuellen-Stücks "Corpus
Christi" um ein Dutzend junger Texaner und ihren Anführer Josua
alias Jesus Christus ist ein halbes Jahr her. Am Samstag hat eine neue
Premiere . stattgefunden, diesmal als Freilichtaufführung Vor der
Kulisse der ehrwürdigen Heilbronner Kilianskirche. Jetzt geht es
nicht mehr um die vergleichsweise bescheidene Frage, ob sich selbst
Schwule als Gottes Kinder fühlen dürfen. Jetzt wird endlich
richtig große Politik mit Jesus gemacht. Die Inszenierung ist
entsprechend: Tausend Betende und Singende, die sich als wahre Gläubige
betrachten, ein feuriger Prediger namens Winfried Pietrek aus dem fernen
Lippstadt und tief besorgte orthodoxe Priester an seiner Seite.
Beachtenswert wird das fundamentalistische Schauspiel durch seine Nuancen.
Während sich die Hauptdarsteller über Liebe und Frieden, Sodom
und Gomorrha, den Zorn Gottes, die Höllenfahrt der Heilbronner und
die Errichtung eines künftigen "Deutschland nach Gottes Geboten"
ereifern, schwingen fanatisierte aramäische Schlägertrupps die Fäuste,
Rechtsradikale verteilen Flugblätter dubioser deutschnationaler
Splittergruppen, und am Schluss singt der "Arbeiterpriester Pietrek
mit seinen Schäflein begeistert die deutsche Nationalhymne.
Als der Vorhang fällt, lässt sich Pietrek von seinen aus ganz
Deutschland angereisten Verehrern Geldscheine in die Tasche stecken. Aber
die Rezensenten sind ratlos. Es könnte die Premiere einer neuen
Allianz zwischen selbst ernannten rechtgläubigen Christen und
rechtsextremen Rattenfängern gewesen sein. Vielleicht aber auch nur
eine Schmierenkomödie mit dem Anspruch, Deutschland und die Welt zu
retten. Corpus Christi, Teil eins, wird bald zur Erleichterung vieler
Heilbronner vom Spielplan ihres Theaters verschwinden. Geht es jetzt
weiter mit Corpus Christi, Teil zwei? Um Himmels willen!