Heilbronner Stimme vom 21.06.2000

Auch Pforzheim setzt "Corpus Christi" ab

Von Andreas Sommer

Nach Ulm und Karlsruhe ist auch Pforzheim umgefallen: Oberbürgermeister Joachim Becker (SPD) hat gestern die für 2. Juli geplante Pforzheimer Aufführung des Stücks "Corpus Christi" in der Inszenierung des Theaters Heilbronn abgesetzt. Zur Begründung heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt, "dass angesichts der zu erwartenden Aktionen und Reaktionen anlässlich der Aufführung ein unverhältnismäßig hoher und nicht mehr vertretbarer Sicherheitsaufwand durchzuführen wäre.

"In Pforzheim geht wie in Ulm und Karlsruhe die Angst um, dass alle Maßnahmen zum Schutz der Theaterbesucher nicht gewährleisten, " dass eine gewalttätige Eskalation mit Gefährdung der Besucher des Stücks tatsächlich vermieden wird". Hinzu kommt "das am 2. Juli stattfindende Endspiel um die Fußball-Europameisterschaft, das sich gemäß den Erfahrungen der Polizei erheblich auf die Stadt Pforzheim auswirken wird".

Befürchtet die Stadt eine Allianz von Fußball-Hooligans und christlichen Hooligans?Der Pforzheimer Intendant Ernö Weil war gestern abend nicht mehr für eine Stellungnahme zu erreichen. Im Namen des Intendanten erklärte Dramaturg Peter Hägele gegenüber unserer Zeitung: "Das Stadttheater Pforzheim trägt die Entscheidung von Oberbürgermeister Becker nicht mit".

Die Pforzheimer Theaterleitung will diesen Mittwoch eine Stellungnahme zur Absage von "Corpus Christi" abgeben. Hägele: "Uns lag viel daran, dass das Stück hier gespielt wird.

"19 000 Menschen haben das Stück in 27 Aufführungen in Heilbronn gesehen, zuletzt unter massivem Polizeischutz. Heilbronns Intendant Klaus Wagner verzichtet auf eine Stellungnahme zu den Pforzheimer Vorgängen und zitiert aus seinem Brief an den Leiter des Ulmer Akademietheaters: "In Heilbronn war dieses Stück äußerst erfolgreich und zeugte vom Differenzierungswillen der Bürgerschaft.

Wer nicht will, dass Theater Fragen zu stellen hat, der degradiert Kunst und das christliche Verständnis bürgerlicher Verantwortlichkeit. Heilbronn hat bei dieser Fragestellung eine positive Rolle gespielt.

Im Blick auf die Vorgänge in unserer Nachbarstadt bin ich deshalb froh, in Heilbronn Intendant zu sein."

21.06.2000