Frankfurter Rundschau vom 26.02.2000

Schwuler Jesus

Theaterskandal in Heilbronn

Von Christian Holtorf

Wegen einer anonymen Bombendrohung musste Ende letzter Woche in Heilbronn die Aufführung des amerikanischen Skandalstückes Corpus Christi von der Polizei abgebrochen werden. Die 700 Besucher im ausverkauften Theater erlebten den vorläufigen Höhepunkt einer Auseinandersetzung mit einem Stück, dem Gotteslästerung vorgeworfen wird. Vor Beginn der Vorstellung hatten Anhänger der Partei Bibeltreuer Christen vor dem Theater Kirchenlieder gesungen.

In dem Stück des amerikanischen Erfolgsautors Terrence McNally geht es um eine Gruppe junger Männer in der texanischen Stadt Corpus Christi. Sie sammeln sich um ihren Anführer Josua und beginnen, die Geschichte Jesu nachzuspielen. Das Besondere: alle sind schwul. "Jesus Christus gehört uns allen, weil er uns alle enthält", begründet McNally, der in den 50er Jahren selbst in Corpus Christi aufgewachsen ist, seinen Versuch, die Bibel homosexuell zu interpretieren.

Obwohl das Stück schon seit September läuft, hatte es lange Zeit vor allem die Leserbriefspalten der Lokalzeitung gefüllt. Bereits im Herbst gab es anonyme Morddrohungen gegen den Theaterintendanten, den Heilbronner Oberbürgermeister und einzelne Schauspieler. Die "bibeltreuen Christerin hatten vor Gericht eine einstweilige Verfügung beantragt - und waren damit gescheitert. Dann kamen Proteste radikaler Muslime. Seit Anfang Februar sind die Katholiken auf dem Plan.

11.000 Unterschriften und eine Flut von Briefen, einige drohend und beleidigend, sind an die Adresse des Theaters gegangen, um weitere Aufführungen zu verhindern; organisiert von zwei dem Theater bekannten Frauen aus dem Umfeld eines Fatima-Weltapostolat in Deutschland (Blaue Armee Mariens). Die örtlichen Kirchen hatten sich schon Ende vergangenen Jahres von dem Stück distanziert.

Erreicht haben die Proteste nichts. Auch nach. der jüngsten Bombendrohung hält Intendant Klaus Wagner, der für seine künstlerische Unerschrockenheit bekannt ist, an der Inszenierung fest. "Die Leute sind Verhinderer", sagt er und will sich auf keinen Fall beugen. Geprüft wird nun, wie sich die Sicherheitsvorkehrungen verbessern lassen. Wagner spricht von einem dumpfen Bodensatz. War es bisher unklar, wie lange das Stück nach der letzten Abonnenten-Vorstellung noch auf dem Spielplan bleibt, sucht er jetzt nach zusätzlichen Terminen.

Dabei ist die Inszenierung in der Heilbronner Fassung keineswegs spektakulär. "Harmlos und fromm" urteilte ein Theologe nach der Aufführung. Regisseur Harald Siebler inszeniert seine Protagonisten kühl und distanziert. Selbst die Anfagsszene, in. der sich alle Schauspieler komplett entkleiden und zur Taufe unter einen Wasserstrahl auf der Bühne treten, kommt ohne große Emotionen aus - von Homoerotik ganz zu schweigen.

Nächste Temine in Heilbronn sind der 28. Februar und der 13. April, weitere sind in Vorbereitung.